Gründungs-Impuls
Ursprung des ISER ist die Philosophie der Ästhetik und das Beschreiben des subjektiven Erlebens. Auf ihr basiert die Phänomenologie oder phänomenologischer Ästhetik.
Mit Ästhetik ist hier nicht die reine Kunstbetrachtung zu verstehen, sondern sie ist als eine Philosophie des ästhetischen Wahrnehmens als einer besonderen Form der Wissens- und Weltaneignung gemeint. Wir können die Welt faktisch ergründen oder sinnlich begreifen und dies auch mit den wahrgenommenen Phänomenen beschreiben. Die Wahrnehmung hat einen qualitativen Charakter, der die quantitative Sichtweise ergänzt und eine reiche Gesamtbetrachtung zulässt. Die Wurzel dieser Sichtweise liegt in der Kunst, denn über die künstlerische Ausdrucksform und Betrachtungsform erschließen sich subjektive Erfahrungsräume als wichtige Ergänzung zur rationalen Welt. Implizites und explizites Wissen kommen zusammen: Grob gesagt ist das implizite Wissen der Teil unseres Wissens, das wir nicht in Worte fassen können und das besonders mit sinnlichem Wahrnehmen und Handeln verbunden ist und das explizite Wissen, das verbalisierbar und formalisierbar ist.
Im Ursprung des Instituts gehörte Art und Health zum Motto der Projekte. Wie kann Kunst einen Einfluss auf die Heilung haben. Künstlerische Ausdruckmittel finden sich im gesamten sozialen Zusammenleben. Mit dieser Erkenntnis öffnete sich das Themenfeld des Instituts. Der Hintergrund der Philosophie der Ästhetik prägt die wissenschaftliche Praxis in der Kombination aus subjektiver und objektiver Wahrnehmung.
Der Begriff „Leib“ ist ein Schlüsselbegriff der Phänomenologie nach Maurice Merleau-Ponty. Er ist das Medium, durch das wir uns und die Welt erfahren. Unser Bewusstsein ist eingebunden in Sinnlichkeit. Die Phänomenologie widerspricht damit der Annahme, der anatomische Körper und unser Bewusstsein, das im Gehirn lokalisiert ist, seien Gegensätze. Erfahrungen machen wir da, wo wir uns mit unseren Sinnen auf unsere Umwelt beziehen. Ein Kind, das ein Bilderbuch in den Händen hat, erfasst das, was es sieht, mit all seinen Sinnen: es sieht, hört, riecht, schmeckt und lebt sich so in die Geschichte, die erzählt oder dargestellt wird, ein. Das nennt man dann trans- oder multimodale Wahrnehmung. Wird es erwachsen, beginnt es sich die Sachen zu erklären, wir nennen das dann Reflexion. Nicht selten taucht hinter dieser sprachlichen Reflexion aber auch die Fähigkeit unter, sich der Welt sinnlich, multimodal, also durch alle Sinne hindurch zuzuwenden.
Die jüngere Philosophie der Ästhetik versteht sich ähnlich einer Definition von Empathie, die sich auf ein ästhetisches Wahrnehmen bezieht, weniger als eine Philosophie der schönen Künste als eine Philosophie des Erscheinens. Sie charakterisiert ein ästhetisches Wahrnehmen als ein Wahrnehmen, das Situationen und Ereignisse in ihrem gegenwärtigen, unmittelbaren sinnlichen Erscheinen erfasst (Seel 2003). Das ästhetische Wahrnehmen ist mit einem gegenwartsgebundenen Bewusstsein verbunden (Seel 2003), während eine auf die funktionale und begriffliche Bestimmung der Wirklichkeit ausgerichtete Wahrnehmung eher mit einem reflexiven Bewusstsein verbunden ist (Seel 2003, Stern 1985 und 2005) und keinen gegenwärtigen Moment benötigt.
Die theoretischen Entwürfe einer performativen Ästhetik aus der Theaterwissenschaft räumen der Ästhetik inzwischen einen universellen Status ein, da sie sich auf alle Lebensbereiche gleichermaßen beziehen kann. Ein ästhetisches Wahrnehmen unterscheidet sich von einem klassifizierenden Beobachten, das sich einer Sache bemächtigt. Es erkennt nichts, was nicht schon gewusst wird. Es ist neu und gegenwärtig. Im sozialen oder politischen Leben kennen wir das als bloße Machtausübung. Es geht den Dingen voraus, es ist da, bevor sie sich zeigen können. Die Wahrnehmung, die sich einer Sache hingibt, übernimmt für das Andere, das Sich -Ereignende Ver-Antwortung.